Gebt Peter Kock eine Chance

Ein Kommentar von Hans-Jürgen Amtage

Mit Peter Kock (SPD) hat Minden einen neuen Bürgermeister gewählt – und selten zuvor war ein Amtsantritt mit so viel Erwartung, aber auch so viel politischer Notwendigkeit verbunden. Denn Kock übernimmt nicht nur ein Amt, sondern ein strukturelles Problem: ein Machtvakuum, das sich über rund 25 Jahre hinweg im Rathaus gebildet hat. Die letzten drei Bürgermeister – aus unterschiedlichen Gründen geschwächt oder in die Defensive abgetaucht – konnten dieses Vakuum nicht füllen. Die Folge: Andere sprangen ein. Stadtkämmerer Norbert Kresse, inzwischen Beigeordneter, verstand es mit bemerkenswerter Geschicklichkeit, die Lücke zu besetzen. Die Bezeichnung „heimlicher Bürgermeister“ kam nicht von ungefähr.

Doch solche informellen Machtverschiebungen dürfen nun nicht den Ton bestimmen. Kock muss die Führung dorthin zurückholen, wo sie laut Verfassung hingehört: ins Büro des gewählten Bürgermeisters. Genau darin liegt seine historische Möglichkeit.

Die „Jungs“ müssen aus der Deckung kommen

Und Möglichkeiten hat er viele. Nicht nur, weil mit Peter Wansing (SBM) und Lars Bursian (Bau) zwei erfahrene und als verlässlich geltende Köpfe im Verwaltungsvorstand sitzen, die trotz mancher Zurückhaltung als stabile Säulen gelten. Die „Jungs“ müssen einfach mal aus der Deckung kommen. Nicht nur, weil mit Daniela Giannone eine neue Erste Beigeordnete antritt, deren parteigrüne Herkunft ihr verziehen sei, solange sie fachlich überzeugt. Und sie scheint kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und nicht nur, weil der neue Schul- und Kulturbeigeordnete Rainer Printz als erfahrener Verwaltungsmann sich entwickeln und einfinden wird.

Die wahre Stärke liegt tiefer – in der zweiten und dritten Reihe der Verwaltung.

Genau dort wird seit Jahren übersehenes Potenzial vermutet. Einige dieser Mitarbeitenden wurden damals unter Bürgermeister Michael Buhre in Verantwortung gebracht – nicht immer waren das die bestmöglichen Besetzungen. Ja. Aber: Sie sind da. Sie tragen Verantwortung. Und vor allem: Sie haben Fähigkeiten, die nie richtig genutzt wurden.

Viele Mitarbeitende wollen gestalten

Wer mit Leuten aus der Verwaltung spricht, hört immer wieder das Gleiche: Diese Mitarbeitenden wollen gestalten. Sie wollen Verantwortung übernehmen. Sie wollen zeigen, was sie können – und sie warten seit Jahren darauf, dass jemand sie lässt. Dass jemand sie ernst nimmt. Dass jemand sie führt und stärkt, statt sie in starren Hierarchien verkümmern zu lassen.

In dieser Ebene sitzen Fachleute, die den Apparat in- und auswendig kennen. Projektkoordinatoren, Sachgebietsleitungen, erfahrene Verwaltungsprofis – Menschen, die Prozesse verstehen, die Schnittstellen beherrschen, die oft die eigentliche Arbeit stemmen. Menschen, die frustriert wurden, weil ihre Ideen abprallten, weil mutige Entscheidungen zurückgeschreckt wurden, weil vermutlich niemand Verantwortung delegierte, sondern sie lieber verwaltete.

Genau dort liegt Kocks größter Schatz.

Spielräume, Befugnisse und Wertschätzung

Wenn es ihm gelingt, diesen Mitarbeitenden echtes Vertrauen entgegenzubringen, ihnen Spielräume zu geben, Entscheidungsbefugnisse, Wertschätzung – dann entsteht eine Dynamik, die die Verwaltung von innen heraus erneuern kann. Gerade diese Ebenen können ein machtvolles Instrument werden, wenn sie aktiviert werden. Denn sie verbinden Fachwissen mit Praxisnähe. Sie kennen die Stadt, die Akten, die Probleme – und häufig auch die Lösungen.

Peter Kock hat also nicht nur eine Chance. Er hat viele.
Er hat ein Team, das auf Aufbruch wartet.
Er hat Mitarbeitende, die nur darauf hoffen, endlich zeigen zu dürfen, was in ihnen steckt.
Er hat eine Verwaltung, die – wenn man sie lässt – ein kräftiger Motor sein kann.

Geben wir ihm diese Chance.
Und geben wir der Verwaltung die Chance, endlich durchzustarten.

Minden braucht es dringend.

Veröffentlicht am
Kategorisiert als Amtage bloggt

Von Amtage bloggt

Der Autor: Der Mindener Journalist Hans-Jürgen Amtage (Jahrgang 1958) ist stellvertretender Chefredakteur im Ruhestand. Viele Jahre leitete er die Lokalredaktionen des Mindener Tageblattes und des Vlothoer Anzeigers. Davor war er unter anderem Leiter und Moderator des RTL-Landesstudios in Hannover sowie Landtagskorrespondent im niedersächsischen Landtag. Außerdem wirkte er als freier Journalist für den Radiosender Antenne Niedersachsen. Heute ist der Ruheständler noch als Kommunikationsberater und Moderator tätig und engagiert sich stark ehrenamtlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.