Von Hans-Jürgen Amtage
Wer sich durch Kommentarspalten klickt, in den sozialen Netzwerken unterwegs ist oder Diskussionen auf kommunaler Ebene verfolgt, stößt immer wieder auf ein erstaunlich einheitliches Arsenal an Schlagwörtern: „BRD“, „Staatsmedien“, „Altparteienkartell“, „Systemlinge“, „Globalisten“. Es sind Begriffe, die so klingen, als stammten sie aus einer düsteren Mischung aus Kaltem Krieg, Reichsbürger-Milieu und Verschwörungshandbuch – und doch fungieren sie im Kosmos der AfD und ihrer digitalen Echokammern als selbstverständliche Alltagssprache. Immer häufiger lässt sich das gerade auch auf Facebook bei Kommentatoren feststellen, die auf Posts oder Reels mit einem Bezug zu Minden reagieren.
Auffällig ist dabei weniger der Inhalt dieser Kampfbegriffe als ihre völlige Austauschbarkeit. Denn wer sich die Mühe macht, auf die konkreten Argumente hinter diesen Vokabeln zu schauen, stellt schnell fest: Es gibt sie kaum. Das Vokabular dient als Platzhalter, als Identitätsmarke, als Signal – aber nicht als Ausgangspunkt eines inhaltlichen Diskurses.
Sprache als Ersatz für Denken
Der Rückgriff auf Begriffe wie „BRD“ ist nicht harmlos nostalgisch, sondern ideologisch. Die bewusste Vermeidung von „Deutschland“ oder „Bundesrepublik“ spielt mit revisionistischen Untertönen, die suggerieren, die Bundesrepublik sei lediglich ein Provisorium, ein „System“, das überwunden werden müsse. Es ist ein rhetorisches Werkzeug, das die Legitimität demokratischer Institutionen infrage stellen soll.
„Staatsmedien“ wiederum ist kein analytischer Begriff, sondern ein Kampfwort. Es ignoriert bewusst die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Strukturen, um pauschal Misstrauen zu säen – ohne Belege, ohne Differenzierung, aber mit maximaler Wirkung in der eigenen Blase. Dass die tatsächliche Medienlandschaft in Deutschland plural, vielfältig und häufig gerade regierungskritisch ist, spielt dabei keine Rolle.
Und beim „Altparteienkartell“ handelt es sich um die vielleicht bequemste Ausrede in der politischen Diskussion: Wer jedes Gegenargument, jede demokratische Entscheidung und jede kritische Frage als Teil eines angeblichen Kartells diffamiert, muss sich mit deren Inhalt nicht auseinandersetzen.
Stereotype Muster statt eigener Haltung
Es wäre falsch zu behaupten, alle AfD-Sympathisanten seien uninformiert. Aber viele, die dieses Vokabular nutzen, zeigen ein bemerkenswert stereotyperes Kommunikationsverhalten: Sie reproduzieren Formulierungen, die im AfD-Umfeld kursieren, als wären es automatisierte Textbausteine.
• „Ich habe ja nur Fragen“ – gefolgt von längst widerlegten Behauptungen.
• „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“ – nachdem man genau das gesagt hat.
• „Die Medien verschweigen…“ – obwohl man die Information gerade aus den Medien hat.
Diese Sätze ersetzen keine Position. Sie behaupten lediglich, eine zu haben.
Das Muster ist klar: Statt einer eigenen Analyse wird die Sprache einer Partei übernommen, die selbst kaum politische Lösungen formuliert, sondern vor allem Ressentiments bedient. Die Vokabeln sind damit weniger politische Begriffe als identitäre Marker. Wer sie benutzt, zeigt Zugehörigkeit – nicht Überzeugung.
Die Gefahr der sprachlichen Stereotypisierung
Man könnte all das als Stilblüte des digitalen Zeitalters abtun. Doch Sprache prägt Wahrnehmung. Wer permanent von „Staatsmedien“ spricht, wird demokratische Institutionen irgendwann tatsächlich als illegitim erleben. Wer Deutschland als „BRD“ bezeichnet, spielt mit anti-demokratischen Narrativen. Wer eine demokratische Parteienlandschaft als „Kartell“ diffamiert, lehnt im Kern die parlamentarische Demokratie ab.
Die Wiederholung dieser Begriffe – oft unreflektiert, oft nur nachgesprochen – wirkt wie eine ständige Erosion politischer Normalität. Es ist nicht die Lautstärke der AfD-Sprachwelt, die gefährlich ist, sondern ihre Penetranz und Gleichförmigkeit.
Warum das Vokabular entlarvt
Gerade weil viele Nutzerinnen und Nutzer dieser Sprache keine eigenen Inhalte formulieren, ist das Vokabular so entlarvend:
Es zeigt eine politische Haltung, die sich nicht auf Ideen, Werte oder Visionen stützt, sondern auf Abgrenzung, Misstrauen und das Nachbeten vorgefertigter Erregungswörter.
In einer demokratischen Debatte braucht es Meinungsverschiedenheit, Streit, Reibung – aber es braucht auch Substanz. Wer nur stereotypische Schlagworte reproduziert, verweigert diese Substanz. Damit entzieht er sich dem demokratischen Gespräch und stabilem politischen Denken.
Rhetorisches Beruhigungsmittel
Das AfD-Vokabular ist kein politisches Werkzeug, sondern ein rhetorisches Beruhigungsmittel: Es gibt das Gefühl, informiert und widerständig zu sein, ohne sich der Mühe eigener Reflexion hingeben zu müssen. Doch Demokratie lebt davon, dass Menschen eigenständig urteilen – und nicht davon, dass sie sprachliche Schablonen wiederholen.
Je öfter die Schlagwörter der AfD-Klientel ohne Widerrede stehen bleiben, desto stärker normalisieren sie ein Weltbild, das auf Ablehnung statt auf Argumenten basiert. Es wird Zeit, diesen sprachlichen Automatismus nicht nur zu durchbrechen, sondern öffentlich als das zu benennen, was er ist: Ein Echo ohne Inhalt.
#NoAfD