In Minden reicht ein Döner für Hetz-Tiraden im Netz

Hass im Netz ist längst Alltag – und das ist das eigentliche Problem. Foto: Hans-Jürgen Amtage|KI

Von Hans-Jürgen Amtage

Es ist beschämend, wie tief Hassbotschaften und Alltagsrassismus inzwischen in unseren digitalen Alltag eingesickert sind. Selbst etwas so Banales wie die Neueröffnung eines Döner-Imbisses in Minden – ein Euro pro Döner, hunderte vor allem junge Menschen, gute Stimmung – wird auf Facebook zur Projektionsfläche für übelste Hetze gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Was früher Stammtisch war, ist heute Kommentarspalte. Öffentlich, enthemmt, oft feige anonym.

Besonders bitter: Es sind längst nicht mehr nur die bekannten Schreihälse aus dem Umfeld der gesichert rechtsextremen Alternative für Deutschland. Die Grenzen sind fließend geworden. Da kommentieren Menschen, die sich selbst vermutlich als „ganz normal“ bezeichnen würden. Menschen, die tagsüber über knappe Kassen klagen, davon sprechen, dass man angeblich Leergut sammeln müsse, um über die Runden zu kommen – und die abends stundenlang an Glühweinständen und Imbissbuden auf den Weihnachtsmärkten der Region stehen. Das passt hinten und vorne nicht zusammen. Aber es wird mit großer Selbstverständlichkeit behauptet.

Hass im Netz ist kein Ventil, er ist Gift

Dazu kommen die immer gleichen Parolen: Wir seien „nirgends mehr sicher“, „man dürfe ja nichts mehr sagen“, schuld seien die „Woken“, die angeblich dafür sorgten, dass unsere Gesellschaft den Bach runtergeht. Dieses Gerede ist bequem. Es erspart Nachdenken, Differenzierung, Empathie. Vor allem aber lenkt es davon ab, sich mit den wirklichen Ursachen sozialer Spannungen auseinanderzusetzen.

Hass im Netz ist kein Ventil, er ist Gift. Er vergiftet Debatten, verroht Sprache und senkt die Hemmschwelle, Menschen zu entmenschlichen. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, online zu hetzen, wird auch im echten Leben kälter, härter, rücksichtsloser. Das ist keine Meinungsfreiheit, das ist moralische Verwahrlosung.

Ein Innehalten wäre angebracht

Gerade jetzt, in der Weihnachtszeit, wäre ein Innehalten angebracht. Weihnachten steht – unabhängig vom persönlichen Glauben – für Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, für die Idee, dass Würde unteilbar ist. Schaffen wir es wirklich nicht einmal dann, auf Hass und Hetze zu verzichten? Oder ist das Beleidigen, Abwerten und Schuldzuweisen inzwischen so sehr zur Gewohnheit geworden, dass wir es kaum noch hinterfragen?

Ich bin überzeugt: Es geht auch anders. Aber es braucht den Mut, in Kommentarspalten nicht zu schweigen. Den Mut, klar zu widersprechen. Und den Willen, sich selbst zu prüfen, bevor man den nächsten zynischen Spruch tippt. Hass ist kein Naturgesetz. Er ist eine Entscheidung. Und jede und jeder von uns kann sich entscheiden, diesen Kreislauf wenigstens ein Stück zu durchbrechen.

#Hass #Hetze #Netz #SocialMedia #innehalten #Meinungsfreiheit

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Von Amtage bloggt

Der Autor: Der Mindener Journalist Hans-Jürgen Amtage (Jahrgang 1958) ist stellvertretender Chefredakteur im Ruhestand. Viele Jahre leitete er die Lokalredaktionen des Mindener Tageblattes und des Vlothoer Anzeigers. Davor war er unter anderem Leiter und Moderator des RTL-Landesstudios in Hannover sowie Landtagskorrespondent im niedersächsischen Landtag. Außerdem wirkte er als freier Journalist für den Radiosender Antenne Niedersachsen. Heute ist der Ruheständler noch als Kommunikationsberater und Moderator tätig und engagiert sich stark ehrenamtlich.

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