Von Hans-Jürgen Amtage
Die Obermarktpassage ist seit Jahren das sichtbarste Symbol dafür, wie eine Innenstadt an Strahlkraft verlieren kann. Wo früher Menschen einkauften, ins Konzert gingen oder andere Veranstaltungen besuchten, dominiert heute der Eindruck einer Dauerbaustelle: entkernte Flächen, verhüllte Rolltreppen, Berichte über stechenden Uringeruch.
Dass die Situation schwierig ist, bestreitet niemand. Umso größer waren die Hoffnungen, als 2020 die AIM Center GmbH aus Passau unter Geschäftsführer Robert Maier die Obermarktpassage übernahm – mitsamt der Aufgabe, aus dem Schandfleck wieder einen Magneten zu machen. Kino, Bowling, Hotel, Lebensmittler, Studentenwohnungen, Seniorenwohnen: Die Liste der angekündigten Nutzungen ist lang und bunt. Fertig sein sollte das Ganze ursprünglich „Mitte bis Ende 2022“, dann im Herbst 2024, zuletzt war von Herbst 2025 die Rede. Jetzt haben wir fast Winter, das Jahr geht zu Ende – und: nichts.
Viele Ankündigungen, wenig sichtbares Ergebnis
Natürlich hat die Branche erschwerte Bedingungen: Baukostenexplosion, Zinswende, verändertes Konsumverhalten. Dass Zeitpläne wackeln, ist nachvollziehbar. Aber es macht einen Unterschied, ob ein Projekt um Monate oder um Jahre aus dem Takt gerät – und wie offen ein Investor damit umgeht. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck eines immer gleichen Musters: neue Präsentation, neue Visualisierungen, neue Eröffnungsdaten – doch vor Ort bleibt der Fortschritt für die meisten Mindenerinnen und Mindener schwer erkennbar. Die Tiefgarage wurde zwar teilweise wieder in Betrieb genommen, aber das große Versprechen eines belebten, modernen Stadtbausteins ist weiterhin Zukunftsmusik.
Hinzu kommt: Robert Maier ist kein klassischer „Shoppingcenter-Mann“, sondern kommt aus der Energie-, Freizeit- und Immobilienwelt, hält Beteiligungen etwa an Bädern und Hotels wie dem Wonnemar-Resort in Wismar und diversen Projektgesellschaften.
Das ist nicht per se ein Problem – aber gerade dann wäre maximale Transparenz nötig: Wo hat AIM ähnliche Revitalisierungen größerer Bestandsimmobilien bereits erfolgreich abgeschlossen? Welche konkreten Finanzierungs- und Partnerstrukturen stehen hinter der Obermarktpassage? Auf diese Fragen gibt es bislang öffentlich nur bruchstückhafte Antworten.
Die Verantwortung der Stadt
Mindestens genauso kritisch ist das Agieren der Stadt. Seit Jahren ist bekannt, dass die Obermarktpassage in ihrem Zustand der gesamten Innenstadt schadet. Gleichzeitig hat Minden sich strukturell von einem einzigen Investor abhängig gemacht: Stadthalle verkauft, Eigentümerstruktur bereinigt, Baurecht mit Blick auf dessen Pläne weiterentwickelt – immer mit Blick auf die große Lösung aus einer Hand.
Das kann sinnvoll sein. Aber es verlangt ein anderes Niveau an Steuerung, Kontrolle und öffentlicher Kommunikation. Spätestens jetzt müsste der Grundsatz gelten: Nicht mehr nur vertrauen, sondern verbindlich einfordern.
- Klare, schriftlich fixierte Meilensteine für Baufortschritt und Vermietung,
- Transparenz über Finanzierung und Ankermieter,
- Szenarien, was passiert, wenn der Investor seine Zusagen nicht einhält.
Denn auch das gehört zur Wahrheit: Die Obermarktpassage war schon vor AIM eine unendliche Geschichte wechselnder Eigentümer und großer Versprechen. Die Stadt darf nicht noch einmal den Fehler machen, auf Sicht zu fahren, während ein zentrales Filetstück der Innenstadt brachliegt.
Zeit für einen Kurswechsel
Die Geduld der Bürgerschaft dürfte nach all den Jahren weitgehend aufgebraucht sein. Wer täglich an der abgewrackten Baustelle vorbeiläuft, dem helfen keine PowerPoint-Präsentationen mehr, sondern nur sichtbare Ergebnisse. Dass Robert Maier in politischen Gremien erneut um „Rückendeckung“ wirbt und zugleich Zeitpläne weiter nach hinten schiebt, verstärkt das Gefühl, hingehalten zu werden. Darum braucht es jetzt einen Kurswechsel:
- Die Stadt sollte alle bestehenden Vereinbarungen mit AIM auf den Prüfstand stellen und – soweit rechtlich möglich – nachschärfen.
- Politik und Verwaltung müssen regelmäßig, offen und belastbar über Sachstand und Risiken informieren – ohne PR-Sprech, dafür mit klaren Zahlen.
- Und sie sollte parallel ernsthaft prüfen, welche Alternativen es zu einem „Weiter so“ mit dem bisherigen Investor gibt, falls das Projekt erneut zu scheitern droht.
Die Obermarktpassage ist zu wichtig, um sie weiter allein der Hoffnung auf einen Heilsbringer aus Passau zu überlassen. Minden muss vom Bittsteller zum Gestalter werden – sonst bleibt die Passage auch in den nächsten Jahren das, was sie heute ist: ein Mahnmal kommunaler Ohnmacht mitten in der Stadt.